Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Gesellschaftstheorie - Globalisierung Keynesianische Ökonomie und Probleme der Nachhaltigkeit

Beitrag zum Workshop "Keynesianische Ökonomie als alternative Ökonomie?" der Rosa Luxemburg-Stiftung (Berlin, 24.-26.2.2006)

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Klaus Steinitz,

Erschienen

Februar 2006

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Beitrag zum Workshop "Keynesianische Ökonomie als alternative Ökonomie?" der Rosa Luxemburg-Stiftung (Berlin, 24.-26.2.2006)


Probleme einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung haben erst in den letzten Jahrzehnten in der ökonomischen Theorie und in der Wirtschaftspolitik Relevanz gewonnen. Das gilt auch für die linke, alternative oder sozialistische Ökonomie. Ich muss einige generelle Überlegungen zur Nachhaltigkeitsproblematik voran stellen, um daran anknüpfend ihren Stellenwert in einer keynesianischen Ökonomie charakterisieren zu können.
Forderungen nach einer nachhaltigen Entwicklung haben im Zusammenhang mit der größeren Rolle der Ökologie, der Erhaltung und des Schutzes der natürlichen Umwelt, für die weitere Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, für die Zukunft der Menschheit, einen größeren, weiter zunehmenden ökonomischen, sozialen und politischen Stellenwert gewonnen.  Besonders der Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ (Stuttgart 1972) und der Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Berlin 1988) kennzeichnen einen Einschnitt im Herangehen an ökonomische Entwicklungsfragen, insbesondere an Fragen des Fortschritts und des ökonomischen Wachstums. Er besteht vor allem in einer Problematisierung und differenzierteren Bewertung der Bedingungen und Folgen des Wachstums sowie, darauf aufbauend, in der Begründung der Perspektiven des Wachstums.

Dies war zunächst auf die Beziehungen von ökonomischem Wachstum zur natürlicher Umwelt gerichtet. Die Problematisierung des Wachstums bezog sich aber zunehmend auch auf andere Bereiche der Wirtschaft, der Arbeit und des Lebens, auf seine Beziehungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Zurückdrängen der Massenarbeitslosigkeit, zu Veränderungen in den Verteilungsstrukturen sowie zu den Bedingungen für eine zukunftsfähige Gestaltung der sozialen Sicherheitssysteme und zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Die Ausdehnung der Forderung der Nachhaltigkeit von der natürlichen Umwelt auf andere gesellschaftliche Bereiche, eine Erscheinung die eigentlich begrüßt werden müsste, war aber zugleich mit einem inhaltlichen Aufweichen ihrer Kriterien und einer zunehmenden Unverbindlichkeit und Beliebigkeit der Forderung nach ökologischer Nachhaltigkeit verbunden. Heute gibt es kaum jemanden der sich nicht in Worten zur Nachhaltigkeit bekennt. Auch in neoliberalen Konzepten wird eine nachhaltige Entwicklung gefordert, insbesondere ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und eine nachhaltige Finanzpolitik – im Sinne einer Verbesserung vor allem der Angebots- oder deutlicher der Verwertungsbedingungen für das Kapital, von Sparen vor allem durch Rückbau des Sozialstaates und öffentlicher Investitionen sowie von Schuldenabbau angeblich im Interesse nachfolgender Generationen.

Eine alternative, linke Wirtschafts- und Sozialpolitik erfordert, die Beziehungen zwischen nachhaltiger wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Entwicklung in ihren wechselseitigen Verflechtungen tiefer zu analysieren, zwischen ihnen bestehende Widersprüche und Konflikte aufzudecken sowie die sozialen, ökologischen und ökonomischen Ziele langfristig miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Das schließt vor allem drei Erfordernisse ein:
Erstens die Zielstellung der wirtschaftlichen Tätigkeit zu präzisieren. Ökonomisches Wachstum ist kein eigenständiges Ziel, sondern Mittel, Instrument für die Verbesserung des Lebens – darin eingeschlossen: menschenwürdige, existenzsichernde, zunehmend selbstbestimmte Arbeit, Befriedigung grundlegender Bedürfnisse aller Menschen, soziale Sicherheit bei Erhaltung  und möglichst Verbesserung der natürlichen Umweltbedingungen. Nachhaltigkeit verlangt, die Gerechtigkeitserfordernisse der heute Lebenden (soziale und international-globale Gerechtigkeit) und der zukünftigen Generationen (intertemporale oder intergenerative Gerechtigkeit) gleichzeitig zu berücksichtigen.
Zweitens die Kriterien wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit eindeutig und auch stärker operational zu bestimmen, wobei langfristige Tendenzen umfassend zu berücksichtigen sind.
Drittens die Wechselwirkungen, sowohl Widersprüche und Konflikte als auch positive Stimulierungen, zwischen Ökonomie, Sozialem und Ökologie aufzudecken und dabei vor allem Wege zur Lösung von Konflikten, Widersprüchen und Problemen nachzuweisen. Umweltfördernde Verhaltensweisen der Menschen werden sich nur dann umfassend durchsetzen können, wenn ein bestimmtes Maß in der Befriedigung von Grundbedürfnissen und in der sozialer Sicherheit gewährleistet wird. Dies setzt wiederum ein hohes Niveau der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und Produktivität und eine andere, gerechtere Verteilung der Ergebnisse der Arbeit und insgesamt der Einkommen voraus. Nachhaltigkeit stellt in all ihren Dimensionen – ökologisch, sozial, wirtschaftlich – hohe, qualitativ veränderte Anforderungen an das ökonomische Wachstum: der technische Fortschritt muss naturverträglich sein, die Steigerung der Effizienz der Naturressourcen gewinnt im Vergleich zur Einsparung an Arbeit durch Produktivitätssteigerung ein größeres Gewicht, zukunftsorientierte Strukturveränderungen treten stärker in den Vordergrund. Insgesamt treten gegenüber dem Zuwachs der wirtschaftlichen Leistungen seine sozialen und ökologischen Folgen weit mehr in den Vordergrund.

Im Rahmen eines umfassenden Konzepts nachhaltiger Entwicklung kommt den ökologischen Problemen und Erfordernissen nicht nur eine zunehmende Bedeutung, sondern auch eine hohe Eigenständigkeit zu.
Ausgehend von diesen grundlegenden Zusammenhängen einer nachhaltigen Entwicklung  werde ich mich in meinen weiteren Darlegungen zur Nachhaltigkeit in der keynesianischen Ökonomie auf die Umweltproblematik konzentrieren.

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