Ausgelöst durch den Dissens über die Candice Breitz-Ausladung durch das saarländische Kultusministerium und die Einladung durch die Peter Imandt Gesellschaft, gelang es in den letzten Monaten, in Kooperation mit der Hochschule der Bildenden Künste und dem saarländischen Verband Deutscher SchiftstellerInnen, die Veranstaltungsreihe „Erinnerungskulturen. Dialog. Diskurs. Dissens“ zu organisieren, die u.a. vom Ehrenvorsitzender der Peter-Imandt-Gesellschaft Michael Quetting im Filmhaus Saarbrücken eröffnet wurde.
Quetting betonte die besondere Aufgabe, diesen Dialog zu befördern, zumal die offizielle Seite sich diesem Diskurs nicht stellen wollte. Weiter führte Quetting aus:
„Wir werden unterschiedliche Verträge diskutieren und dabei unterschiedliche Perspektiven debattieren können. Und ich möchte eine Referentin besonders erwähnen, da Charlotte Wiedemann die besondere Verantwortung für die Shoah betont und gleichzeitig eine Überwindung des eurozentristischen Geschichtsdenkens einfordert. Sie sagt: wir müssen die Shoah im Zentrum unserer Verantwortung halten. Aber wer die Shoah benutzt, um anderes Leid zu degradieren, hat ihre wichtigste Lehre nicht verstanden.
Welches Leid hat Stimme, welcher Schmerz spricht zur Welt? Im Gaza-Streifen wurden mehr als 40.000 Menschen getötet, ein großer Teil von ihnen Frauen und Kinder. Unmittelbarer Anlass dafür war jener brutale und menschenverachtenden Überfall am 7. Oktober 2023, bei uns verkürzt als Terrorangriff der Hamas bezeichnet. Damals wurden etwa 1.200 Menschen getötet und 250 als Geiseln verschleppt. Daraus leitet die israelische Regierung ein Recht auf Selbstverteidigung ab und nimmt sich das Recht für den Krieg im Gaza und Libanon heraus.
Die deutsche Regierung stellt sich bedingungslos auf die Seite der israelischen Regierung und hat die Unterstützung Israels zur 'Staatsraison' erklärt. Das Unrecht der Besatzung der palästinensischen Gebiete wird, wenn überhaupt, nur selten erwähnt. Was ist in dieser Situation Antisemitismus? Vergessen wir nicht, dass der Antisemitismus ursprünglich kein Produkt der arabischen oder muslimischen Welt ist. Ghettos, Pogrome, Rassismus und die systematische Ermordung von Juden kennen wir aus Europa und besonders eben aus Deutschland. Wir werden die Shoah oder Holocaust niemals vergessen. Das heißt eben auch, dass wir niemals die Naziverbrechen relativieren und den Antisemitismus verharmlosen dürfen. Als Antifaschist kann man kein Antisemit sein.
…Es ist den Künstlerinnen und Künstlern zuzustimmen, die ihren Protest gegen die Ausladung von Candice Breitz mit der Überschrift versahen 'Kunst ist kein debattenfreies Idyll'. Wir wollen die Debatte führen, anstatt mehr oder weniger auszugrenzen. Und dann ist man sich noch nicht einmal zu schade, der Jüdin Candice Breitz Antisemitismus vorzuwerfen. Deutsche Institutionen sollten besonders sensibel sein, wenn sie sich erlauben zu urteilen, was denn Antisemitismus ist. Ob Legislative, Judikative oder Exekutive, sie haben einst fast alle Judenmörder und Nazis laufen gelassen und spielen sich nun als Experten für Antisemitismus auf.
Ich bin in Sorge, wenn in Saarbrücken ein Restaurantbesitzer eines arabischen Lokals wegen eines Sonderangebotes am 7. Oktober öffentlich einer Rufschädigung als Antisemit ausgesetzt wird. Ohne Rücksprache oder Recherche werden Drohungen ausgesprochen, der Geschädigte spricht von Albtraum und Rufmord.
Ich bin erschrocken, wenn die Bundestagsvizepräsidentin in die Schusslinie gerät, weil sie einen Post der US-amerikanischen Gruppe 'Jewish Voice for Peace' auf Instagram geteilt hat. Zu sehen war eine Flammenwand mit dem Text 'This is Zionism'. Entstanden war die Aufnahme bei einem israelischen Luftangriff auf ein Zeltlager von Flüchtlingen im Gazastreifen, durch den vier Menschen lebend verbrannten und Dutzende andere Verletzungen, zum Teil Verbrennungen von 60
bis 80 Prozent, erlitten. Die zu benennen sei 'Israel-Hass' wird gesagt und geschrieben, der Rücktritt wird gefordert.
Ich frage mich ernsthaft, was sind das für Leute, die sich nicht über das Verbrennen von Menschen empören, aber bei Protesten dagegen in Wut geraten. Das aktuelle gesellschaftspolitischen Klima ist Gift für eine demokratische Gesellschaft.
Die Namensgebern unserer Stiftung war bekanntlich auch Jüdin und eines ihrer bekanntes Sätze lautete. 'Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.' Wir nehmen diesen Satz sehr ernst. Wir wollen den demokratischen Diskurs, wollen nicht übereinander, sondern miteinander reden. Ich wünsche der Vortragsreihe große Aufmerksamkeit und uns einen solidarischen Dialog.“
Nachricht | Eröffnung der Veranstaltungsreihe „Erinnerungskulturen. Dialog. Diskurs. Dissens“
Saarbrücken, 28. Oktober 2024