Nachricht | 80 Jahre Angriff auf die Sowjetunion

Heinrich Sommer (1895-1967)

Foto: Sammlungen Luitwin Bies im Stadtarchiv Völklingen

Sie kämpften auf der richtigen Seite...

In Memoriam Heinrich Sommer (1895 – 1967)

Heinrich Sommer und seine Familie. Leben für die Arbeiterbewegung - gegen Faschismus und Krieg

Eine der populärsten Persönlichkeiten der politischen Linken im Saargebiet der Völkerbundzeit zwischen 1920 bis 1935 war Heinrich Sommer. Am 18. August 1895 in Heiligenwald geboren, war ihm gewissermaßen ein Leben im „Königreich Stumm“ in „Saarabien“ vorgeschrieben. Doch sollte er einiges von der Welt sehen. Sein Vater Eduard Sommer war Bergmann und Maschinist. Seine Mutter war Karoline geb. Brenner. Er hatte drei Stiefgeschwister, die älter als er waren, zwei Brüder und eine Schwester.

In Heiligenwald besuchte Heinrich Sommer die Volksschule. Von 1909 bis 1912, also vom 14. bis zum 17. Lebensjahr, erlernte er den Beruf eines Schlossers beim Meister Ernst Riesinger. Ergänzend dazu besuchte er eine private Fachschule, 1 x 2 Stunden pro Woche.

Nach Abschluss der Ausbildung fand er Arbeit bei verschiedenen Firmen, von 1912 bis 1913 bei der Firma Seibert in Saarbrücken (Hoch- und Brückenbau), danach als Schlosser und Elektriker bei den Straßenbahnen des Saartals. Er wechselte dann zur Eisenbahn über, arbeitete als Lokomotiven-Schlosser in Montigny/Metz von 1914 bis 1919 - unterbrochen durch die Militärzeit 1915 bis 1917.

Während seiner Soldatenzeit lernte Heinrich Sommer Karl Liebknecht kennen, der am 2. Dezember 1914 im Reichstag gegen die Kriegskredite gestimmt hatte und deshalb als Armierungssoldat im Februar 1915 eingezogen worden war. Genaueres über die Kontakte zwischen Liebknecht und Sommer ist nicht bekannt.

Sommer arbeitete nun wieder als Lokomotiven-Schlosser von 1919 bis 1920 in der Hauptwerkstatt in Saarbrücken, dann von 1920 bis 1931 im Bahnbetriebswerk Neunkirchen. Dort war er 1921 zum Obmann des Arbeiterausschusses gewählt worden. Wegen seines konsequenten Einsatzes für seine Kollegen wurde er mehrfach strafversetzt, so als Schlosser zur Hauptwerkstatt nach St. Wendel und von dort als Rottenarbeiter nach Wemmetsweiler.

Im Dezember 1932 wurde er aus dem Eisenbahndienst fristlos entlassen. Heinrich Sommer hatte sich schon 1912 gewerkschaftlich organisiert, gehörte erst dem Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) an, dann dem Elsaß-Lothringischen Eisenbahner Verband, danach dem Deutschen Eisenbahner-Verband.

Heinrich Sommer war 1920 in Heiligenwald der KPD beigetreten. Er übte verschiedene Parteifunktionen aus, sowohl in der Ortsgruppe wie in der Betriebszelle. Er war zeitweilig verantwortlich für Agitation und Propaganda, dann auch Organisationsleiter und schließlich auch Politischer Leiter, wie ein Vorsitzender damals genannt wurde.

Dem Gemeinderat von Heiligenwald gehörte Heinrich Sommer von 1921 bis 1935 an und von 1926 an war er bis 1935 auch Mitglied des Kreistages Ottweiler. In beiden Gremien war er Fraktionsvorsitzender. Als bei der Landesratswahl 1932 die Kommunisten acht der dreißig Mandate errangen, wurde auch Heinrich Sommer Mitglied des Saarparlamentes.

Als „im Reich“ die Reichskanzlerschaft an den Führer der Nazi-Partei Adolf Hitler übertragen worden war und sich das faschistische Regime etablierte, suchten saarländische Politiker, an ihrer Spitze der Völklinger Industrielle Hermann Röchling, den Kontakt zu Hitler. Sie handelten gemeinsam mit ihm das Konzept „Deutsche Front“ aus. In ihr sollten alle Parteien und Verbände aufgehen, einschließlich der NSDAP. Damit sollte der Eindruck erweckt werden, es gehe um keine andere Frage als jene „für Deutschland oder für Frankreich“. Bürgerliche Rechte und Freiheiten, das Koalitionsrecht und gewerkschaftliche Organisation und Tätigkeit, kurzum die Fragen der Demokratie und des Friedens hatten keine Rolle zu spielen. Die bürgerlichen Parteien, vom Zentrum bis zur DSVP, erlaubten so der Kriegspartei der Nazis, sich zu tarnen.

Dem stemmten sich Kommunisten und Sozialdemokraten entgegen. Sie kämpften erst jeder für sich gegen die Faschisten, manchmal auch noch gegeneinander, bis sie sich zur antifaschistischen Einheitsfront zusammenschlossen und auch noch christliche Kräfte einbezogen. In diesem Neuorientierungsprozess spielte Heinrich Sommer eine herausragende Rolle. Er förderte die Einheitsbemühungen auf der Ebene der Gewerkschaften, in der Kommune, im Landesrat. Er trat als Referent in vielen Veranstaltungen auf. Im Landesrat setzte er sich sowohl mit der Regierungskommission als auch mit der Demagogie der so genannten „Deutschen Front“ auseinander.

Heinrich Sommer stellte konkrete Anträge, u.a. auf freies Koalitions- und Streikrecht, auf neue Plan und Beförderungsstellen, auf gewerkschaftliche und politische Betätigungsfreiheit und auf das Verbot des Zusammenschlusses und der Propaganda der gleichgeschalteten faschistischen Organisationen.

Als am 2. Juli 1934 das Einheitsfront-Abkommen zwischen KPD und SPD im Saargebiet zustande gekommen war, trat Sommer gemeinsam mit sozialdemokratischen Referenten in Versammlungen und Kundgebungen auf. Nun sollte er die „blutigen Henkermethoden“ noch am eigenen Leibe verspüren. Die „Arbeiter Zeitung“ berichtete am 5. September unter dem Titel: „Der braune Mordversuch an dem Genossen Sommer“, dass die Heiligenwalder Nazis den Abgeordneten zusammengeschlagen und schwer verletzt hatten. Bewusstlos geschlagen und getreten hatten sie ihn liegen lassen. Die erst Tage später anrückende Polizei zeigte keinerlei Interesse an einer Untersuchung des Falles…

Wer sich so engagiert hatte, wen die braunen Banditen schon vor ihrem offiziellen „Machtantritt“ an der Saar verfolgt hatten, durfte nach der Saarabstimmung am 13. Januar 1935 nicht zögern. Über 90 Prozent der gültigen Stimmen waren für den Anschluss an Hitler-Deutschland abgegeben worden, im Bereich des Amtes Schiffweiler waren es 91,8 Prozent und 7,9 Prozent für den Status quo. Also musste auch Heinrich Sommer mit seiner Frau Margarethe und den Söhnen ins Exil gehen.

Die Sommers durften nur kurz in Frankreich bleiben. Nächstes Exilland der Sommer-Familie wurde Schweden, wo sie im September 1935 ankamen. Das Leben in Schweden war nur zu meistern mit der selbstlosen Hilfe der einheimischen Antifaschisten. Heinrich Sommer lebte mit seiner Familie in Stockholm.

In jener Zeit war Sommer zeitweilig als Schlosser und Werkmeister bei der Firma Swets und Smide beschäftigt - bis zu seiner Verhaftung. Die antifaschistische Arbeit Heinrich Sommers wurde auch von der Internationalen-Transportarbeiter-Föderation (ITF) und ihrem Leiter Edo Fimmen anerkannt und unterstützt. Das führte bei Sommer dazu, dass er als Funktionär der schwedischen Seeleute-Gewerkschaft anerkannt wurde und so Zutritt zum Hafen und zu Schiffen hatte. In Schweden sahen die herrschenden Kreise diese Arbeit anders. Sie waren an guten Geschäften auch mit Hitlerdeutschland interessiert…

Der Ehrenvorsitzende der ITF, Charles Lindley, setzte sich für Sommer und andere Verhaftete ein, im schwedischen Reichstag wurde interveniert. Die Polizei bedrohte die Antifaschisten mit der Auslieferung an Hitlerdeutschland, schließlich kamen sie in das Internierungslager Langmora, wo bis zum Sommer 1940 etwa 40 deutsche Kommunisten eingesperrt waren.

Im Februar 1941 kam Herbert Wehner aus Moskau auf illegalem Wege in Schweden an. Er und andere führende KPD-Funktionäre sollten die antifaschistische Arbeit nach Deutschland verstärken und schließlich auch versuchen, selbst nach Deutschland zu kommen, um die durch den Kriegsbeginn sehr beeinträchtigte Widerstandsarbeit zu beleben. Ob Wehner die Nachricht für Heinrich Sommer mitbrachte, dass beim Konsulat der Sowjetunion in Schweden liege ein Visum zur Einreise in die Sowjetunion für ihn selbst und seine Familie bereit? Jedenfalls, kam Sommer wieder frei und reiste am 29. April 1941 mit Frau und Sohn Artur aus Schweden aus. Ab 3. Mai lebte er mit Frau und Sohn Artur in einem Emigrantenheim in Moskau bis zum August. Am 22. Juni 1941 hat Hitler - Deutschland wort- und vertragsbrüchig die Sowjetunion überfallen und begann, das Sowjetland mit einem verheerenden Vernichtungskrieg zu überziehen. Sommer gelangte nun für kurze Zeit an die Wolga, nach Hachabali bei Stalingrad, wo er als Schlosser arbeitete. Dann wurden die Sommers nach Kasachstan evakuiert.

1943 erging erneut der Ruf seiner Partei an ihn. Nachdem in den Kämpfen, die die Sowjetarmee zu bestehen hatte, immer mehr deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft geraten waren, entstand die Idee in den Gefangenenlagern Aufklärungsarbeit zu leisten und möglichst Multiplikatoren zu gewinnen.

Ab September 1943 arbeitete er als politischer Instrukteur im Kriegsgefangenenlager Luxemburg bei Tiflis (Tbilissi) und später in Stalino, dem heutigen Donezk im Lager 230. Leider sind über seine genauen Tätigkeiten, Abläufe oder Erfolge nichts bekannt.

Nach dem Krieg im August 1946 kam Heinrich Sommer mit seiner Frau aus der Sowjetunion nach Berlin. Er fand dann eine Wohnung im Stadtbezirk Pankow, wurde Mitglied der SED. Vom 1. September an war er ein Angestellter bei der Deutschen Verwaltung des Inneren, später bei der Hauptverwaltung der Volkspolizei (VP). Er war Leiter der Abteilung Personalpolitik und als solcher Oberregierungsrat. Als die VP uniformiert wurde, war Sommer Kommandeur, ab 1. Januar 1949 dann VP-Inspekteur (vergleichbar mit dem Rang eines Oberst). Nach Gründung der DDR schied Heinrich Sommer bei der VP aus, um in dem mit der Regierungsbildung auch geschaffenen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten neue Aufgaben als Abteilungsleiter zu übernehmen, bis er 1954 aus dem aktiven Dienst ausschied.

Er hatte schon all die Jahre in Berlin ehrenamtliche Funktionen in seinem Wohngebiet in Pankow ausgeübt. Ab 1956 war er als Vorsitzender der Kreis-Veteranenkommission tätig. Natürlich organisierte er sich sofort 1946 im FDGB, wurde 1947 bei der Gründung Mitglied der VVN, später der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft und anderer Organisationen. Heinrich Sommer verstarb am 1. Mai 1967 ohne seine alte, ihm wohl fremd gewordene Heimat, jemals wiederzusehen.

Luitwin Bies (1930-2009)

Gekürzter Beitrag aus „Für den Sturz des Naziregimes – Widerstand und Verfolgung von saarländischen Antifaschisten“, Blattlaus-Verlag 2007